»Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Mitteldeutschland«
Frage 8

Mehr und mehr Betriebe stehen wegen zunehmendem Preisdruck durch den Einzelhandel, sinkender Nachfrage oder fehlendem Nachwuchs vor dem Aus, mit verheerenden Folgen für Agrarstruktur und die Entwicklung des ländlichen Raums. Mit welchen Maßnahmen wollen Sie dieser Entwicklung entgegen wirken?


Antwort von »BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN Sachsen« vom 07.08.2024:

Die Auswege aus diesem Teufelskreis sehen wir BÜNDNISGRÜNE in folgenden Punkten: weniger Masse, mehr Qualität, mehr Wertschätzung und mehr Regionalität. Wenn die Urprodukte vor Ort weiterverarbeitet und verwendet werden, anstatt in großen Mengen das Land zu verlassen, entsteht ein Regionalwert und sogar ein gesellschaftlicher Mehrwert. Gerade diesen gilt es, neben der wirtschaftlichen Wertschöpfung, nicht zu unterschätzen. Dafür braucht es ein Bündel von Maßnahmen der Förderung, Bewußtseinsbildung, Öffentllichkeitsarbeit und Vernetzung: - Wir wollen die urbane Bevölkerung für die Landwirtschaft und ihre Interessen gewinnen. Wir unterstützen alle Maßnahmen, die mehr Verständnis erreichen, wie Landwirtschaft in der Praxis - jenseits von romantischen Vorstellungen - funktioniert. Das Ziel ist, mehr Wertschätzung für Lebensmittel und für die, die sie herstellen. Wir unterstützen zudem die wachsende Zahl an Unternehmen, die nach dem Konzept der solidarischen Landwirtschaft bereits eng mit den Verbraucher:innen zusammenarbeiten. - Wir fordern mehr Verbraucher:innentransparenz, wie beispielsweise durch das neue Tierhaltungskennzeichen des BMEL. Auch das Kennzeichnungssystem „Regionalfenster Sachsen“ hilft bei der Vermarktung. Den Ansatz, Großverbraucher wie Kantinen und Gemeinschaftsverpflegung mit regionalen Hersteller:innen und Herstellern zu vernetzen, wollen wir weiter verstärken. - Wir unterstützen Strategien, den Eigenverbrauch selbst erzeugter regenerative Energien auszubauen, statt immer weiter teure Energie einzukaufen zu müssen. Das funktioniert schon bei Biogas oder Solarenergie. Wenn Landwirte auch Energiewirte werden dürfen, ermöglicht dies betriebswirtschaftlich eine zusätzliche Steigerung der Wertschöpfung. Das bedeutet am Ende auch eine Elektrifizierung vieler Maschinen und Geräte, sowie Digitalisierung und Robotik. - Die Änderung des Ernährungsverhaltens findet statt. Viele essen weniger Fleisch, weil sie sich persönliche und gesellschaftliche Vorteile davon versprechen. Hier entsteht ein Raum für neue, schmackhafte, innovative Lebensmittel, die wir bei der Etablierung auf den lokalen Märkten unterstützen wollen. - Auch bei der Flächenpolitik braucht es mehr Miteinander und Solidarität zwischen Stadt und Umland. Landwirtschaftsflächen sind die wichtigsten Gewerbeflächen, die wir haben – weil dort unsere Lebensmittel hergestellt werden. Doch viele Städte weisen nach wie vor Gewerbe- und Wohnstandorte auf Landwirtschaftsflächen aus. Oft sind es kleine Flächen – anscheinend verzichtbar. Doch es ist ein schleichender Prozess. Geworben wird mit Sätzen wie „Hier wird perspektivisch nicht mehr geerntet, sondern gelebt“. Doch wovon wird perspektivisch gelebt, wenn nicht mehr geerntet wird? Es ist mehr denn je notwendig, auf allen Ebenen den Grundsatz Brachennutzung vor Nutzung unversiegelter Flächen konsequenter umsetzen. Das können wir nur gemeinsam mit der kommunalen Ebene erreichen. - Darüber hinaus geht es auch um den besseren Zugang zu Agrarflächen für ortsansässige Landwirt:innen. Für außerlandwirtschaftliche Investor:innen muss der Erwerb landwirtschaftlicher Flächen und auch Anteilskäufe an Betrieben erschwert werden. Existenzgründer- und Hofnachfolger:innen bessere Chancen, um in der Landwirtschaft zu starten. Die Förderprogramm zu Existenzgründung und Hofnachfolge wollen wir ausbauen. - Viele Landwirtschaftsbetriebe können die gestiegenen Anforderungen bei Umwelt- und Klimaschutz nicht allein bewältigen. Wir wollen sie bei ihren Anstrengungen zum Erhalt der Biodiversität, bei Investitionen in artgerechte Tierhaltung oder auch beim Umstieg Richtung ökologischer Landbau unterstützen. Wir sind an der Seite der Unternehmen, die sich an einer sozial- und umweltverträglichen Landwirtschaft orientieren, die mit nachhaltiger Landnutzung auch Lebensräume für wildlebende Arten sichern – und für die das Leitbild des ökologischen Landbaus kein Feindbild ist. - Letztendlich darf die Situation von Menschen mit geringeren Einkommen nicht gegen die Situation von Landwirt:innen ausgespielt werden. Denn auch sie müssen von ihren Einkommen leben können. Gesunde Lebensmittel, faire Arbeitsbedingungen und die Reduzierung der Belastungen von Wasser und Böden gibt es nicht zum Nulltarif. Preise müssen ‚ökologische Wahrheiten’ auch ausdrücken. Und Menschen mit niedrigeren Einkommen brauchen Unterstützung, um steigende Lebenshaltungskosten finanzieren zu können. Das wäre ökologisch UND sozial gerecht.

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